Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weiteres

Login für Redakteure

Vorratshaltung

Vorratshaltung*

Überlegungen zur Schaffung eines Institutes, daß sich in Lehre und Forschung mit der Vorratshaltung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Rohprodukte befassen sollte, setzen zeitlich wesentlich später als bei der Tierernährung ein. Aber schon bald nach der Gründung der Fakultät wurde, wieder auf Initiative und unter dem Dekanat von SCHMALFUSS, 1949 die Einrichtung eines solchen Institutes beschlossen und beim Sekretariat für Hochschulwesen beantragt. Diesem Antrag wurde am 21.08.1951 stattgegeben. So konnte - erstmals an einer deutschen Universität - an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ein Institut für Landwirtschaftliche Technologie und Vorratspflege gegründet werden. Zum ersten Direktor wurde Josef TISCHER berufen, ein ausgezeichneter Fachmann auf dem Gebiet der Chemie und industriellen Lebensmittelüberwachung und -hygiene. Das Institut wurde bei seiner Gründung mit zwei Stellen für wissenschaftliche Assistenten und einer Stelle für einen Dozenten ausgestattet.


Auf letztgenannten wurde Karl HERRMANN, Apotheker und Lebensmittelchemiker, berufen, der sie bis 1958 wahrnahm. Die dem Institut angegliederten Fachgebiete "Milchwirtschaft" und "Molkereiwesen" wurden über 10 Jahre von einem Lehrbeauftragten, Ing. R. KREYZI, von der Milchwirtschaftlichen Lehr- und Versuchsstation Halberstadt wahrgenommen.


TISCHER nahm den Neuaufbau des Institutes in der Reichardtstraße 2, einem vorherigen Wohn- und Geschäftshaus, energisch in Angriff. Trotz der schwierigen Nachriegsverhältnisse gelang es durch das energische Wirken von TISCHER, im Verlauf von 5 Jahren ein arbeitsfähiges Institut mit 5 modern ausgestatteten chemischen und 2 physikalischen Laborräumen sowie verschiedenen Lagereinrichtungen, darunter 3 Kalt- und Gefrierlagerzellen, aufzubauen.


Die Forschungsarbeiten konzentrierten sich während dieser Zeit auf die qualitativen und quantitativen Veränderungen während der Lagerung von pflanzlichen Nahrungs- und Futtermitteln. Vorrangig erfolgten Untersuchungen zu den Carotinoiden als Vorstufen des Provitamin A sowohl an niederen Pflanzen (Oscillatoria amoena und Cladophora fracta) als auch an Gemüsearten und Futtermitteln sowie grundlegende Untersuchungen zum Vorkommen von phenolischen Inhalts- und Gerbstoffen in Pflanzen, zur Bedeutung der Oxidationsfermente während der Gefrierlagerung, zum Säure- und Kohlehydratstoffwechsel in Apfelfrüchten bei Torfmull- und Folienlagerung ebenso wie zu bakteriologischen Veränderungen an Milch- und Molkereiprodukten.


Leider verstarb TISCHER sehr frühzeitig am 12.03.1962. Nach dem Tode von TISCHER übernahm SCHMALFUSS von 1962 - 1968 die kommissarische Leitung des Institutes. Die Durchführung der Lehre und Forschung wurde während dieser Zeit von Heinz SCHULZ wahrgenommen, der nach diesem Zeitpunkt die Leitung des Institutes bzw. Lehrkollektivs übertragen bekam. Er setzte in diesen Jahren den systematischen Aufbau der experimentellen Forschungsbasis durch den Neubau einiger Räume auf dem Hofgelände fort, in denen die Stoffwechselmeßanlagen und später auch die Luftzerlegungsanlagen für die kontrollierte Gaslagerung des Obstes untergebracht werden konnten. Gleichzeitig wurde eine umfangreiche Anlage zur speziellen Gaslagerung von Obstfrüchten entwickelt und aufgebaut. Dabei konnte in 60 individuell belüfteten Lagerboxen bei zwei verschiedenen einstellbaren Temperaturbereichen Obstfrüchte langfristig lagern, wobei ständig eine vorgegebene Luftzusammensetzung gewährleistet wird, die von einer speziell entwickelten Luftzerlegungsanlage (ESO I) über eine Gasmischstation hergestellt wird. Die im Durchflußverfahren arbeitende Gaswechselmeßanlage mit 6 unabhängigen Meßgefäßen konnte im Verlauf der Jahre immer weiter apperate- und meßtechnisch verbessert werden.


Während der Zeit der Leitung von SCHULZ mußte der Inhalt von Lehre und Forschung etappenweise auf Grund der vorgegebenen volkswirtschaftlichen Beweggründe verändert werden. Am Anfang kam es zu einem Rückzug aus der lebensmitteltechnologischen Forschungsrichtung, mit der 3. Hochschulreform (1968) erfolgte eine Reduzierung der Lehre, indem die Vorratshaltung tierrischer Produkte aufgegeben wurde. Dafür konnte der Bereich der Vorratshaltung und Erstbearbeitung pflanzlicher Produkte entsprechend den Anforderungen der Ausbildung von Studenten der Fachrichtung Pflanzenproduktion deutlich erweitert werden. Bei dieser zweiten Umstellung blieb aber die versuchstechnische und personelle Ausstattung im Objekt Reichardtstraße 2 voll erhalten.


Infolge der 3. Hochschulreform 1968 wurde das Institut in den Wissenschaftsbereich "Pflanzenbau" der Sektion Pflanzenproduktion eingegliedert. Zunächst bestand auf Grund der vorgegebenen Struktur noch eine gemeinsame fachliche Verankerung in einem Lehrkollektiv "Futterkonservierung und Vorratshaltung", doch schon kurze Zeit später ist das Lehrkollektiv "Vorratshaltung" eine selbständige Einheit im Wissenschaftsbereich Pflanzenbau geworden.


Unter SCHULZ konzentrierte sich die Forschung auf folgende Forschungsschwerpunkte:

  • Qualitätsverbesserung von Kernobst durch Einsatz moderner Lagerverfahren mit grundlegenden Untersuchungen zur Farbausprägung, Enzymaktivität, Fruchtfleischfestigkeit und Ethylenbildung
  • Quantifizierung der Qualitätsveränderungen für Feldgemüsearten während des Aufbewahrens und Verarbeitens in Abhängigkeit von Temperatur und Lagerdauer unter dem Einfluß anbautechnischer Faktoren
  • Stabilisierung der Qualität lagernder Kartoffeln und Zuckerrüben sowie grundlegende Untersuchungen zur Erzeugung und Lagerung von Echtsaatkartoffeln (TPS)

Im Zuge des Aufbaus einer Vollfakultät wurde ab 01.04.1991 die Vorratshaltung wieder zu einem selbständigen Institut für Vorratshaltung und Erstverarbeitung, bis es im Oktober 1994 mit dem Institut für Tierernährung zusammengeführt wurde.

Während des Bestehens dieses Fachgebietes an der Landwirtschaftlichen Fakultät ist das Institut bzw. Lehrkollektiv maßgeblich geleitet worden von:

1951 - 1962                Prof. Dr. habil. J. TISCHER, Institutsdirektor
1962 - 1967                Prof. Dr. Dr. h. c. K. SCHMALFUSS, kommiss. Institutsdirektor
1967 - 1968                Doz. Dr. habil. H. SCHULZ, kommiss. Institutsdirektor
1968 - 1991                Prof. Dr. habil. H. SCHULZ, Lehrkollektivleiter
1991 - 1994                Priv.-Doz. Dr. habil. H. BÖTTCHER, kommiss. Institutsdirektor

*   H. Jeroch, H. Böttcher, H. Nonn und M. Zausch: Institut für Tierernährung und Vorratshaltung.
   In: 50 Jahre Landwirtschaftliche Fakultät / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: 1947 - 1997;
   Festschrift; Hersg.: Wulf Diepenbrock, S. 151 - 161

Zum Seitenanfang