Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Tierernährung

Tierernährung 1

Nachdem das Fachgebiet Tierernährungslehre zunächst vom Institut für Tierzucht und Molkereiwesen mit vertreten wurde, erfolgte im Jahre 1940 die Gründung eines selbständigen Institutes für Tierernährung und Milchwirtschaft, zu dessen ersten Leiter Walter SPÖTTEL berufen wurde, der die Einrichtung bis 1945 leitete. Als Folge der kriegsbedingten Situation konnte nur ein begrenzter Ausbau der personellen und materiellen Kapazitäten in einem Drittel des Backsteingebäudes in der jetzigen Emil-Abderhalden-Str. 25b erfolgen, der jedoch im Nachkriegsjahr völlig zum Erliegen kam.

Nach der Neugründung einer selbständigen Landwirtschaftlichen Fakultät an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am 12.07.1947 wurde der Direktor des Institutes für Bodenkunde und Pflanzenernährung, Karl SCHMALFUSS, als kommissarischer Direktor für dieses Institut eingesetzt und mit dem systematischen Aufbau einer arbeitsfähigen Einrichtung auf dem Gelände der Emil-Abderhalden-Str. 25b beauftragt. Dieses Vorhaben wurde durch die Einstellung des Absolventen Manfred ZAUSCH als wissenschaftlicher Assistent im Jahre 1950 gefördert.

Am 01.04.1951 wurde Anno COLUMBUS, ein Schüler von Ernst MANGOLD, Berlin, zum Direktor des Institutes für Tierernährung der Martin-Luther-Universität berufen und damit eine Neuetablierung dieses Fachgebietes erreicht. Gleichzeitig mit der Schaffung dieses Lehrstuhles mit vollem Lehrauftrag wurde das gesamte Gartengelände hinter dem Institut diesem für Neubauten sowie das Universitätsgut Lettin als Versuchsbasis zugesprochen. Auf Grund des Ministerratsbeschlusses wurde per 01. Januar 1956 das Universitätsgut Lettin zur "Lehr- und Versuchsstation" umgewandelt, um dadurch verbesserte experimentelle Voraussetzungen für eine praxisorientierte Forschung und Lehre in Halle-Lettin zu schaffen.

COLUMBUS nahm den Aufbau der experimentellen Einrichtung dieses Institutes sehr energisch in Angriff und konnte in den 9 Jahren seines Wirkens die bauliche, tierexperimentelle, apparative und labortechnische Basis erheblich erweitern. Als 1. Vorsitzender der "Arbeitsgemeinschaft für Fütterungsberatung" verfolgte COLUMBUS das Ziel einer praxisnahe Lehre und praxisorientierte Forschung für die landwirtschaftlichen Betriebe abzusichern und zugleich - zusammen mit Alexander WERNER, Jena - Praktiker zu qualifizieren sowie Fachkräfte für die neugegründete Fütterungsberatungsstellen auszubilden.
In dieser Zeit wurden auf dem Institutsgelände in Halle 1952 ein Tierversuchsgebäude und 1953/54 ein Respirationsgebäude gebaut sowie in der Lehr- und Versuchsstation Lettin zahlreiche Neubauten erstellt, u.a. Versuchsstelle für Geflügel, Schweine und Rinder, Siloanlagen und ein Lehrgebäude. So war es möglich, wichtige Grundlagen der Tierernährungsphysiologie experimentell zu bearbeiten, die erhaltenen Ergebnisse durch Fütterungsversuche zu bestätigen und dies dann in die praktische Fütterung zu übertragen.

COLUMBUS legte aber auch immer sehr großen Wert auf die Grundlagenforschung. Erwähnt seien Untersuchungen zur Bestimmung der biologischen Eiweißwertigkeit verschiedener Futtermittel, zum N-Grundumsatz von Ratten und landwirtschaftlichen Nutztieren sowie zur Bestimmung der Verdaulichkeit von Futterstoffen bei verschiedenen Tierarten. Diese und weitere Arbeiten begründen das beachtliche wissenschaftliche Niveau und große Ansehen des Fachgebietes Tierernährung in Halle mit. Leider wurde COLUMBUS sehr frühzeitig am 01.04.1960 durch einen Herzschlag aus dem Leben gerissen.
Von 1960 bis 1963 wurde Kurt VÖHRINGER (Direktor der Tierklinik) die kommissarische Leitung des Institutes übertragen. Die Lehraufgaben nahm weiterhin Manfred ZAUSCH war, der dann 1963 zunächst als Dozent und ab 1965 als Professor die Leitung des Institutes übernahm. Damit begann eine Etappe, die durch Intensivierung der Studentenausbildung, Konzentration auf Schwerpunktgebiete der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung sowie durch Produktionsexperimente in der landwirtschaftlichen Praxis gekennzeichnet war. Die Tierernährung wurde umfassend in der Lehre vertreten und beinhaltete folgende Komplexe: Grundlagen der Tierernährung, Tierernährungsphysiologie, Fütterung der landwirtschaftlichen Nutztiere, Futterwirtschaft einschließlich Futterkonservierung und Futtermittelkunde. Die bestimmenden Forschungsthemen waren: Eiweißbe- und verwertung in der Tierernährung, Stoffwechsel und Ernährungsphysiologie bei Wiederkäuern und Geflügel, Chemie der Futtermittel, besondere Inhaltsstoffe von Futtermitteln, Futterwert von Beta-Rüben sowie Probleme der Silierung und technischen Trocknung von Futterstoffen. Die experimentelle Arbeitsbasis wurde durch die Schaffung von Stoffwechsel- und Respirationsversuchsanlagen für Labortiere und landwirtschaftliche Nutztiere, eines Labors zur chemischen und mikrobiologischen Bestimmung von Aminosäuren sowie eines Labors zur Anwendung stabiler und radioaktiver Isotope weiter ausgebaut.

Die im Jahre 1968/69 eintretende Spezialisierung der akademischen Ausbildung auf dem Gebiet der Agrarwissenschaften, die für die landwirtschaftliche Fakultät in Halle nur die Ausbildung von Spezialisten der Pflanzenproduktion vorsah, unterbrach die fruchtbare Arbeit des Institutes für Tierernährung. Nur durch das überzeugende Auftreten von ZAUSCH und einigen weiteren Fakultätsangehörigen konnte die Notwendigkeit vermittelt werden, daß auch für Studierende der Pflanzenproduktion die Grundlagen der Tierproduktion, vor allem auch der Futterkonservierung, ein unverzichtbarer Bestandteil der Lehre sein müssen. Durch diese Aktivität konnte ein Teil der Tierernährung erhalten bleiben. Allerdings wurden wesentliche Teile der Laboreinrichtung und des dazugehörigen wissenschaftlichen und technischen Personals des Institutes für Tierernährung dem sogenannten Zentrallabor der Sektion Pflanzenproduktion zugeordnet.

Der Tierernährer ZAUSCH wurde 1969 zum o. Professor auf den Lehrstuhl Futterkonservierung und Vorratshaltung berufen. Neben der Futterkonservierung sind im Rahmen des Faches "Tierproduktion für Pflanzenproduzenten", das auch von ZAUSCH koordiniert wurde, Grundkenntnisse der Ernährung landwirtschaftlicher Nutztiere gelehrt worden. Den Studenten wurden damit wesentliche Voraussetzungen für ein futterwirtschaftliches Denken und Handel vermittelt. Forschungsseitig wurden vor allen Probleme der Silierung von wirtschaftseigenen Futtermitteln mit umfassender gärbiologischer, futtermittelkundlicher und tierphysiologischer Auswertung sowie der Heißlufttrocknung bearbeitet. Da der Rübenanbau im Forschungsprofil der damaligen Sektion Pflanzenproduktion eine wesentliche Rolle spielte, hatten Rüben, Rübenblatt und Produkte der Zuckerrübenverarbeitung auch für den Lehrstuhl Futterkonservierung einen hohen Stellenwert. Neben der Konservierung galt es, diese Futtermittel effektiv in Futterrationen für Wiederkäuer und für Schweine zu integrieren. In diesem Zusammenhang wurden neue Erkenntnisse über den Einfluß leicht vergärbarer Kohlenhydrate auf den Zelluloseabbau im Pansen von Wiederkäuern gewonnen. Aufgabenbezogen wurde eine enge Zusammenarbeit mit mehreren landwirtschaftlichen Betrieben der Pflanzen- und Tierproduktion gepflegt.

Aus gesundheitlichen Gründen mußte ZAUSCH am 01.04.1988 im Alter von 62 Jahren aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Mit Beginn des Wintersemesters 1989/90 wurde Heinz JEROCH auf den Lehrstuhl Futterkonservierung und Vorratshaltung berufen. Anfang 1990 erfolgte die Umbenennung des Lehrkollektivs in Futtermittelkunde und Tierernährung. Damit wurde der unmittelbar nach der politischen Wende im Herbst 1989 in Angriff genommenen Erweiterung des Ausbildungs- und Forschungsprofils entsprochen. Die Bezeichnung "Institut für Tierernährung" wurde am 01.05.1991 wieder eingeführt und JEROCH im gleichen Jahr zum Professor für Tierernährung (neuen Rechts) berufen.

Eine weitere Berufung des Instituts erfolgte im Oktober 1993 mit Ortwin SIMON für das Fachgebiet Ernährungsphysiologie, die er bis zum 30.10.1995 wahrnahm. In dieser Zeit wurde ein biochemisches Labor aufgebaut, und es wurden Untersuchungen zur Charakterisierung von mikrobiellen Nicht-Stärke-Polysaccharidene hydrolisierenden Enzymen begonnen. Es konnten Fortschritte auf dem Gebiet der Analytik der Enzyme in komplexen Proben erzielt werden. Ferner wurden unterschiedliche Präparate sowie aktive Fraktionen dieser Präparate hinsichtlich deren pH-Verhaltens, der Temperaturstabilität im Verdauungstrakt von Broilern und Ferkeln charakterisiert, um deren Wirkungsweise in vivo einzuschätzen. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Vorbereitungen zur Etablierung einer leistungsfähigen Massenspektrometrie als Voraussetzung für Stoffwechselstudien mit Stabilisotopen.

Im Zeitraum seines Bestehens wurde das Institut für Tierernährung bzw. das Lehrkollektiv für Futterkonservierung von folgenden Wissenschaftlern geleitet:
1947 - 1951            Prof. Dr. Dr. h. c. K. SCHMALFUSS, kommiss. Institutsdirektor
1951 - 1960            Prof. Dr. habil. A. COLUMBUS, Institutsdirektor
1960 - 1963            Prof. Dr. habil.. K. VÖHRINGER, kommiss. Institutsdirektor
1963 - 1968            Prof. Dr. habil. M. ZAUSCH, Institutsdirektor
1968 - 1988            Prof. Dr. habil. Dr. h. c. M. ZAUSCH, Lehrstuhlleiter
1988 - 1989            Doz. Dr. habil. H. NONN, Lehrkollektivleiter
1989 - 1991            Prof. Dr. habil. H. JEROCH, Lehrkollektivleiter
1991 - 1998            Prof. Dr. habil. Dr. h. c.  H. JEROCH, Institutsdirektor (Tierernährung)
seit 1998                 Prof. Dr. habil. K. EDER, Institutsdirektor

1  H. Jeroch, H. Böttcher, H. Nonn und M. Zausch: Institut für Tierernährung und Vorratshaltung.
In: 50 Jahre Landwirtschaftliche Fakultät / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: 1947 - 1997;
Festschrift; Hersg.: Wulf Diepenbrock, S. 151 - 161

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